Disclaimer
M. Weißkirchen, d.14.6.44
Meine liebe Inge!
Nun muß ich aber wieder ein paar Zeilen an Dich schreiben und Dir ein bißchen von meinem jetzigen Leben erzählen.
Heute habe ich schon wieder U.v.D. . Eigentlich wollte ich ja in's Kino gehen. Da bekam ich die Nachricht, daß ich Dienst machen mußte. Mit dem Kino wäre es sowieso nicht viel viel geworden, da ein anständiges Wetter niederging. So sitze ich denn nun hier im Unterhaltungsraum und schreibe. Es ist 18°° und ich mußte schon das Licht einschalten, weil bedingt durch das Gewitter, hier im Saal schon kein Licht zum Schreiben mehr ist.
Ich warte nun schon mit Schmerzen auf den ersten Brief von Dir. Ende der Woche wird dann hoffentlich einer da sein! Du wirst sicherlich gestern meinen Brief von hier erhalten haben. Wenn wir doch bloß nicht so weit auseinander wären! Mein Ersatztruppenteil müßte im Reich liegen!
Ab heute ist Urlaubssperre. Das ist wahrscheinlich eine der Auswirkungen der Invasion. Es werden noch andere kommen. Ich hatte mir schon ausgemalt, in einigen Wochen mal auf Kurzurlaub zu kommen; und nun ist Urlaubssperre. Hoffentlich hält die nicht zu lange an! Na, meine 4 Wochen habe ich hinter mir, die kann mir keiner mehr wegnehmen. Es war doch eine zu schöne Zeit, Inge!!
Hier führe ich nun ein ganz beschauliches Leben. So ruhig hätte ich mir das gar nicht vorgestellt. Es ist fast nur Arbeitsdienst. Da haben wir Unteroffiziere die Aufsicht. 6.30 ist Wecken und 7.30 treten wir dann an. Um 11°° gehe ich zum Essen, welches so einigermaßen ist. Man kann sich satt essen. Bis jetzt bin ich ganz zufrieden. Hunger habe ich ganz guten. Ob ich wohl hier etwas dicker werde? Den guten Sonntagsbraten vermisse ich natürlich sehr. Wenn ich mal wieder auf Urlaub komme, dann werde ich eine doppelte Portion verlangen. Also, wie schon gesagt, der Dienst läßt sich ganz gut aushalten. Die Mittagszeit beträgt 3 bis 3 1/2 Stunden und abends um 17 Uhr sind wir fertig. Zum Arbeiten habe ich also viel Zeit und die nutze ich natürlich auch aus. Wer weiß, wann ich mal wieder so eine gute Gelegenheit habe! - In der Stadt ist nicht viel los. Es ist zwar ein ganz nettes Städtchen, amn kann in's Kaffee gehen oder zum Essen, aber so interessant ist es auch wieder nicht. Ja, wenn Du hier wärest, dann wäre das ja was anderes. Landschaftlich ist es hier sehr schön. Es würde Dir hier bestimmt gefallen. Der Ort liegt im Tal und dies wird von einem kleinen Fluß, der Petschwa, durchflossen. Man kann sich ein Boot mieten und auf dem Fluß herumgondeln. Kinos gibt es auch zwei, dort sind es es meistens tschechische Filme, die gezeigt werden; damit wir das verstehen, ist deutsche Beschriftung darunter. Ich habe mir aber in der Stadt noch keinen Film angesehen. - Gestern war eine Wehrmachtsvorstellung, und zwar gaben sie in einem einfach eingerichteten Theater ein Lustspiel "Die drei Eisbären". Also ich muß sagen, das war ganz groß. Es waren Wiener Schauspieler, die sehr natürlich spielten. Ich habe so gelacht, daß sich direkt welche umgedreht haben, um zu sehen, wer da wohl so dreckig lacht. Es war wirklich tadellos, vor allem, weil es so natürlich gespielt wurde. - Hier im Gebäude ist übrigens auch ein Kino, in welchem ich am Montag war. "Konzert in Tirol" haben sie da gespielt. Das war auch ganz nett. Ja, so habe ich die Tage bis jetzt verbracht! -
Was machst du denn immer so, kleine Frau? Hoffentlich hast Du den guten Vorsatz befolgt und hast Dich jeden Tag um 22°° in's Bett begeben, um dern Schlaf, den Du durch meine Schuld versäumt hast, nachzuholen! Vielleicht ist es Dir auch schwergefallen, Dich an das frühe zubettgehen zu gewöhnen!? Es ist doch ganz gut, daß ich Dich mal für eine Zeit verlassen muß! Du bist ja wirklich zu gar nichts mehr gekommen, so lange ich da war. Ich sagte Dir ja schon damals, daß man auch mal für seine persönlichen Dinge Zeit haben muß. Also nutze diese Zeit gut aus, so lange ich Dich nicht belästigen kann!
Im Juli bekommst Du also nun Ferien. Vielleicht ist es möglich, daß Du mich besuchen kannst. Ob Du wohl von Dir aus eine Einreisegenehmigung bekommst?  Durch die Maßnahmen in der Einschränkung des Reiseverkehrs hat sich darin vielleicht auch manches geändert. Du kannst Dich ja mal erkundigen. Ich werde das auch tun. Ein Kamerad, den ich von früher gut kenne, hatte seine Frau jetzt auch hier. Er liegt in einer anderen Kaserne, und ich wollte ihn eigentlich gestern besuchen, doch da kam dann die Sache mit dem Theater dazwischen. Es ist eben leichter, wenn man verheiratet ist. Da ist so etwas keine Schwierigkeit weiter. Mit dem Kriegsurlaub ist es dasselbe. Verheiratete können in jedem Monat 4 Tage auf Urlaub fahren, während wir das nur alle 8 Wochen können. Wenn doch bloß bald andere Zeiten kommen, damit wir nicht mehr getrennt sein müssen! Es könnte doch alles so schön sein! Ich habe Dich ja so lieb, mein kleines Mädchen, daß ich es kaum mehr erwarten kann, bei Dir oder doch wenigstens in Deiner Nähe sein zu können. Wenn sich doch die Lage bald mal klären würde! Aus den Ereignissen in Frankreich kann man bis jetzt noch nichts schließen. -
Inge, schicke mir doch mal einige Bücher und zwar den Schmeil "Botanik". Nimm aber nicht das, was ich mir von Krügers geborgt habe. Ich besitze nämlich selber eins. Dann möchte ich noch das kleine Chemiebuch haben für "landwirtschaftliche Schüler". Die Logarithmentafel und das Schulheft mit meinen Arbeiten schicke bitte auch mit. In meinem Koffer, der hinter Deinem Schrank steht, ist ein kleiner Karton, da passen die Bücher vielleicht hinein. Dann schicke mir doch Umschlagpapier mit, damit ich diese Bücher auch wegschicken kann, wenn es mal nötig ist. Du wirst schon alles recht machen!
Nun, liebe Inge, Grüß meine Eltern. Ich werde ihnen auch bald wieder schreiben. Schreib auch Du mir recht oft und schicke mir bald die Bilder. Sei herzlich gegrüßt und geküßt von
Deinem Leo
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