Disclaimer
|
M.-Weißkirchen,
d. 9.6.44
Meine
liebe kleine Inge!
Seit
gestern um 17°° bin ich nun bei meinem Ersatzbataillion. Den Brief,
den ich dir von Geydebruk schrieb, hast Du hoffentlich schon erhalten.
Die ganze Fahrt war so einigermaßen annehmbar. Von Leipzig mußte
ich bis Borsdorf fahren, denn da wurde der Fronturlaubszug eingesetzt.
Bis Geydebruk hatte ich einen guten Eckplatz. Morgens um 9°° kam
ich dort an. Um 12.40 fuhr der Zug nach M.-Weißk.. In der Zwischenzeit
schrieb ich Dir den Brief. Von M.-Ostrau bis M.-Weißkirchen war eine
recht langweilige Fahrt, denn der Zug hielt an fast jeder Station ziemlich
lange. Vom Bahnhof bis zur Kaserne mußte ich eine halbe Stunde laufen.
Das reichte für meinen Fuß. Die erste Nacht schlief ich im Durchgangszimmer
der Genesungskompanie. Heute früh mußte ich zur Untersuchung
und wurde bis zum 10.11.44 weiter bedingt k.v. geschrieben. Dann erfolgt
wieder eine Untersuchung. Nach dieser Untersuchung kam ich zur Stammkompanie,
wo alle hinversetzt werden, die bedingt k.v. sind.
Ja,
nun bin ich also hier und muß mich wieder an den Dienstbetrieb gewöhnen.
Heute habe ich ja noch keinen gemacht, sondern erstmal meine Sachen empfangen
und mich eingerichtet. Ich liege auf einer großen Stube, wo wir lauter
Feldwebel und Unteroffiziere sind. Die Stube ist nicht gemütlich,
denn es ist schon mehr ein Saal als eine Stube, 20 X 25 m groß
und ohne Gardinen. Die Betten sind ziemlich einfach. Wir müssen uns
mit den bloßen Wolldecken zudecken, ohne Bezug. Na, auch daran werde
ich mich gewöhnen, wenn es zuerst auch ein bißchen kratzt.
Gefreut
habe ich mich, daß ich viele alte Bekannte getroffen habe. In meiner
Stube liegt auch einer aus meiner alten Kompanie mit. Sogar welche aus
meiner ehemaligen alten Kompanie in Dessau sind hier. Mit dem einen war
ich sogar in Polen und Frankreich in einer Gruppe zusammen. Du siehst also,
so sehr fremd ist es hier für mich nicht.
Im
nächsten Brief werde ich dir nun mal den ganzen Betrieb hier schildern.
Wir liegen sehr schön in einem Park oder so etwas ähnlichem.
Es sind riesige Gebäude hier und ich kann alles noch gar nicht übersehen
und finde mich auch noch nicht richtig zurecht.
So,
meine liebe Inge, das war ein kleiner Bericht über die Lage der letzten
zwei Tage. -
Was
machst Du denn nun? Hast Du Dich an den jetzigen Zustand bereits gewöhnt?
Ich glaube es nicht, denn mir ist es bis jetzt noch nicht gelungen. Da
sitzt Du nun in O'baum und ich in M.-Weißkirchen. Wir könnten
beide so zufrieden sein, wenn der böse Krieg nicht wäre. Inge,
drücke ja beide Daumen recht fest, damit dieser Zustand nicht mehr
so lange anhält! Einen kleinen Vorgeschmack, wie schön es sein
kann, wenn wir mal für immer zusammen sind, haben wir ja in dem Vierteljahr
gehabt. War das nicht eine schöne Zeit, kleine Inge?! Es tut mir zwar
immer noch leid, wenn ich daran denke, wie ich Dich um Deinen wohlverdienten
Schlaf gebracht habe. Man konnte sich aber einfach nicht trennen. Es war
eben zu schön!! - Du hast mir mit diesen Stunden so viel geschenkt.
Dafür danke ich Dir. - Am letzten Tag wollte ich Dir zum Abschied
noch einen Blumenstrauß als Ausdruck meines Dankes für diese
schöne Zeit überreichen. Ich brachte das aber nicht fertig, weil
die Abschiedsstimmung mich zu sehr ergriffen hatte. Man ist eben doch zu
weich - diese Erbanlagen sind wahrscheinlich von meiner Mutter. Da kann
man einfach nichts dagegen machen. Diese Erbanlagen sind hoffentlich nicht
dominierend. Dann wären ja die Kinder einst auch mit diesem Übel
belastet. Die kalte Nase bekommen sie sowieso von Dir.
Gestern
abend im Bett habe ich Dein Bild nochmal angesehen und Dir lange in Deine
lieben Augen gesehen. Das muß nun mein Ersatz sein für Dich.
-
Denke
Dir, kaum war ich eingeschlafen, da träume ich schon von Dir. Du kamst
hier nach M.-Weißkirchen und wolltest mich besuchen. Ich merke, daß
ich Dich so im Traum frage: "Inge, wo schläfst Du denn nun?" Da wache
ich auf, und alles ist vorbei... Das war wirklich schade!
So,
mein liebes Mädchen, nun will ich noch an meine Eltern schreiben.
Hoffentlich kannst Du alles lesen, denn ich habe ziemlich klein geschrieben.
Im nächsten werde ich deutlicher schreiben.
Laß
recht bald und recht viel von Dir hören, denke ein bißchen an
mich und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deinem
Leo
Uffz.
L.; Mähr.-Weißkirchen 11b
Stammkomp.
(Westkaserne) |
|