Disclaimer
M.-Weißkirchen, d. 23.6.44
Meine liebe Inge!
Eigentlich wollte ich Dir ja schon gestern schreiben, aber es wurde zu spät. Ich war noch mit einem Kameraden im Kino. Es war ein furchtbarer Film. Es wäre besser gewesen, ich hätte den Brief an Dich geschrieben."Alles hört auf mein Kommando" wurde gespielt. Der Film wurde wohl noch in der Zeit vor 33 gedreht. Es war jedenfalls toll! Überhaupt habe ich gar keine richtige Lust zum Ausgehen. Ohne Dich macht mir das gar keinen richtigen Spaß. Am liebsten bleibe ich auf meiner Bude und lese. Da weiß ich dann, daß ich die Zeit gut ausgenutzt habe.
Heute hatte ich wieder meinen freien Tag, bez. habe ich ihn noch. Ich war am Vormittag in der Stadt und habe etwas eingekauft. Dann war ich in einem Kaffee und habe seit langem mal wieder Kuchen gegessen. Nun habe ich mich gerade erhoben, denn da wir seit gestern um 5°° Wecken haben, muß ich die Stunden durch ein Mittagsschläfchen wieder 'rausholen.
Eigentlich sollte ich heute nach Olmütz zum Orthopäden fahren wegen Einlagen. Ich war nämlich beim Arzt und habe ihm gesagt, daß ich schlecht laufen kann. Er hat sich gewundert, daß ich noch keine Einlagen habe. Nun fahre ich nächste Woche nach Olmütz zum Facharzt.
Ich habe mich nun nochmal erkundigt wegen der Einreise nach hier. Es hat keinen Zweck, daß ich das über den Dienstweg einreiche, da es doch nicht genehmigt wird, weil Du eben nicht meine Frau bist. Du mußt das eben in Dessau machen. Ich lege einen Brief an Paul Richter bei (weil ich seine Adresse nicht kenne) damit er das beim Landrat vermittelt, daß Du die Einreisegenehmigung bekommst. Andere haben das auch gemacht. Einen Grund wirst Du schon finden. Es muß doch klappen!! Ich warte doch schon so auf Dich! Ein Zimmer könnte ich Dir ganz in der Nähe von mir besorgen. Na, es wird schon was werden. Ein Kamerad hat seine Frau aller paar Tage hier. Sie wohnt im Sudetenland und braucht daher nur einen Übertrittsschein. Wenn ich es doch auch so gut hätte! Ich will aber nicht klagen,denn ein Vierteljahr lang hatte ich ja diese Freude auch.
Gestern bekam ich Deinen Brief vom 19.6. und heute das Päckchen mit den Zigaretten. Du, da war ich wirklich froh, daß mal wieder Zigaretten kamen, denn die waren schon knapp. Ich mußte verschiedene für den Schneider opfern, der mir meine Uniform umgeändert hat.
Grüß bitte Onkel Ewald und Tante Lieschen ebenfalls von mir. Im nächsten Urlaub müssen wir doch mal nach Zerbst fahren.
Das Päckchen mit den Plätzchen habe ich auch erhalten, aber das mit den Büchern ist noch immer nicht da. Es ist doch schon am Montag abgegangen. Wo das bloß bleibt?
Kleine Inge, den Brief, in dem Du nun so schön die Vorteile des Verheiratetseins geschildert hast, mußte ich wieder und wieder lesen. Ich bin stolz auf Dich! Deine Hingabe ist so rührend, daß ich Dir dafür mit Worten gar nicht danken kann. Du bist eine wunderbare Frau, und ich bin sehr glücklich, daß ich Dich habe. Es ist ein herrliches Gefühl, wenn man weiß, daß da in der Heimat eine kleine Frau ist, die einen recht lieb hat. Ehe ich Dich kannte, wußte ich nicht, daß eine Frau einem so viel bedeuten kann. Nun weiß ich es. - 
Dein Bild habe ich im Spind angebracht. Nun sehe ich Dich immer, wenn ich die Spindtür aufmache. Für die kleinen Bilder habe ich mir einen Rahmen besorgt. Da wechsele ich jeden Tag das Bild und denke dann an die Stunde, die ich da gerade mit Dir verlebt habe. Ach es war so schön!!
Du sollst mir auch alles anvertrauen, was Du auf dem Herzen ahst, genau so wie ich das tun werde, denn wir gehören ja zusammen, und da muß das so sein. Das Leben hat jetzt für mich einen ganz anderen Sinn bekommen, seit ich Dich kenne.
so, nun soll es für heute genug sein. Ich will noch an Paul Richter schreiben.
Sei herzlich gegrüßt und geküßt von 
Deinem Leo
Gruß an meine Eltern und Lieselotte und auch an Deine Mutter.
Den Brief an Paul Richter kannst Du ja Else Gabler mitgeben.
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